Urbane Vielfältigkeit für Dortmunds City

Interview mit Planungsdezernent Ludger Wilde
© Stephan Schütze
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Planungsdezernent Ludger Wilde ist seit mehr als 35 Jahren maßgeblich an der Entwicklung Dortmunds beteiligt. Zahlreiche Projekte tragen seine Handschrift. Seine Laufbahn im Planungsamt begann 1986. In einem seiner ersten Projekte war er an der Entwicklung der erfolgreichen Technologieparkentwicklung angrenzend an die Uni Dortmund beteiligt. Fast bei allen größeren Ansiedlungen hatte er großen Anteil an der Koordination der beteiligten Interessengruppen. Er und sein Team haben den Wirtschaftsstandort und Lebensraum Dortmund maßgeblich geprägt und gestärkt. Im Interview bezieht er zu den derzeitigen Herausforderungen für die Dortmunder City Stellung.

 

Welche Bedeutung hat die City heute für Bürger*innen einer modernen Stadt? Und warum brauchen Menschen überhaupt eine attraktive Innenstadt?

Die Dortmunder City zeigt auch heute noch ihre historischen Wurzeln. Sie steht für die Identifikation mit der eigenen Stadtgeschichte und verkörpert das nach außen getragene Image. Hier befinden sich alle zentralen Einrichtungen – nicht nur Handel und Gastronomie, sondern auch Bildung, Kultur, Verwaltung, Wohnen und Freizeiteinrichtungen. Und sie ist das Zentrum der Mobilität.

Für die Bürger*innen ist sie zentraler Anziehungspunkt für das Leben außerhalb der eigenen vier Wände und des eigenen nahen Wohnumfeldes. Von daher ist es wichtig, dass wir in der City ein wirklich attraktives Angebot haben, um auch in Zukunft als das Herz der Stadt empfunden zu werden.

 

Gibt es die typisch deutsche Stadt oder gleichen sich die europäischen Standorte zunehmend?

Es gibt die „europäische Stadt“. Sie ist der Inbegriff der Stadtentwicklung aus einem Kern heraus, historisch waren das die Klöster, Kirchen und Adelssitze, um die sich die Stadt gebildet hat. Über das Mittelalter und hier im Ruhrgebiet insbesondere mit der Industrialisierung hat sich in den letzten 200 Jahren die übrige Stadt so weiterentwickelt wie wir sie heute kennen. Wir Stadtplaner*innen, aber auch die Bürger*innen, mögen dieses Modell der historisch gewachsenen europäischen Stadt sehr – mit einem Zentrum, wo man sich trifft und wo Kultur, Leben, Freizeit und Einkaufen aufeinander treffen.

Innerhalb Europas gibt es natürlich Unterschiede: Die großen A-Städte wie Berlin, München, Hamburg oder Paris, Barcelona und London sind Touristenmagnete mit internationaler Ausstrahlung und hohem Zulauf. Die sogenannten B-Städte müssen mehr tun, um von der eigenen Bewohnerschaft, aber auch von dem Umland wahrgenommen zu werden. Als Oberzentrum bietet Dortmund bedeutende Funktionen in den Bereichen Einkaufen, Kultur und insbesondere auch Bildung für das Umland an.

Durch Corona befeuert verändert sich ein wesentliches Standbein, der Einzelhandel. Durch den Onlinehandel kommen weniger Menschen zum Einkaufen nach Dortmund. Das führt zu Veränderungen. Für uns ist das eine Herausforderung, die die großen europäischen Städte nicht haben. Wir müssen etwas für die City tun; das hat oberste Priorität.

 

Dortmunds City muss sich also neu erfinden. Wie? Und welche Maßnahmen hat die Stadt bereits angestoßen?

Durch eine größere Nutzungsvielfalt. Wir sehen, dass Leerstände durch wegbrechenden Einzelhandel heute nicht mehr überall durch Einzelhandel ersetzt werden können. Die Innenstadt wird sich durch eine multifunktionale Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Gewerbe, Handel, Kultur, Bildung, Unterhaltung und Gastronomie wandeln. Welche Maßnahmen und Konzepte in den unterschiedlichen City-Quartieren am besten greifen, untersucht momentan das von der Stadt beauftrage Büro Stadt+Handel. Erste Ergebnisse werden in der zweiten Jahreshälfte vorliegen. Zudem schreiben wir unser City Konzept 2030 fort.

Ein Gebäude mit urbaner Mischung ist das neue BaseCamp an der Kampstraße mit über 400 Wohneinheiten, Freizeiteinrichtungen, Nahversorgung, Gastronomie und Hotel. Das Unionviertel und das Brückstraßenviertel sind Beispiele für erfolgreiches Quartiersmanagement. Für eine nachhaltige Folgenutzung des ehemaligen Kaufhof-Gebäudes entsteht derzeit zusammen mit den Eigentümern eine Machbarkeitsstudie. Der Wallring erhält eine attraktive Neugestaltung. Die Aufenthaltsqualität in der City wird mit zusätzlichen mobilen Grünelementen und Bänken gesteigert.

Das Erscheinungsbild der Stadt, die Gestaltung der öffentlichen Räume und die Aufenthaltsqualität sind wesentlich für die Wahrnehmung der Besucher*innen. Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck.

 

Europäische Städte wie Rotterdam oder Kopenhagen bieten diese urbane Vielfältigkeit bereits heute. Was kann Dortmund von diesen „Leuchtturm-Beispielen“ lernen?

Die beiden Städte haben diesen Prozess, bei dem wir erst am Anfang stehen, 15 bis 20 Jahre früher gestartet, davon können wir lernen: die City breiter aufstellen und mehr Nutzungsvielfalt zulassen sowie öffentliche Räume neu gestalten, für mehr Aufenthalts- und Erlebnisqualität.

Sie sind Beispiele für einen langen Atem. Man muss an den Konzepten und Maßnahmen festhalten und nicht bei erstem Gegenwind umkippen und sagen, dann machen wir es doch anders.

 

Zum Thema attraktive City gehört auch die Erreichbarkeit – wir wären also beim Thema Mobilität – was können Sie zu den Verkehrskonzepten sagen?

Wie Rotterdam und Kopenhagen müssen auch wir Mobilität neu denken. Dortmund verfügt über ein Top-Schienennetz. Um unseren ÖPNV beneiden uns viele Städte – nicht nur im Ruhrgebiet. Das Stadtbahn-Netz ist zentriert auf die City und von hier kommt man in alle Nebenzentren. Aber es gilt Komfort und Taktung zu optimieren.

Die City ist für den Individualverkehr sehr gut erreichbar, auch wenn zurzeit einige Baustellen als störend empfunden werden. Das Straßennetz ist gut ausgebaut, es gibt ausreichend Parkplätze und E-Mobilität wird mit zusätzlichen Ladestationen gefördert.

Unsere Schwachpunkte sind im Augenblick noch der Rad- und Fußverkehr, diese brauchen mehr Raum und Qualität. Wir forcieren derzeit eine Radstrategie mit Velorouten (Radfahrstraßen), die von den Außenbezirken bis in die City führen. Dabei haben Radfahrer*innen Vorfahrt gegenüber anderen Verkehrsteilnehmer*innen. Über die Arndtstraße/Lange Reihe funktioniert das schon sehr gut. Zukünftig wird es weitere Fahrradstraßen in die City geben. Alle geplanten Velorouten münden auf dem Veloring-Wall, dessen erstes Teilstück am 12. Juni mit einem großen Fest eingeweiht wird.

 

Die mobilen Grünanlagen befinden sich bereits in der Umsetzung. Was ist darüber hinaus geplant? Welche Ziele verfolgen Sie damit?

Neben Aufenthaltsqualität und Erscheinungsbild beinhalten die Maßnahmen klimatische Effekte. Mobile Grünanlagen wie Pop-up-Bäume spenden Schatten und tragen zu einem besseren Mikroklima bei. Die Menschen können dort kleine Pausen einlegen. Die Verweildauer in der City wird gehoben.

Der beliebte temporäre Paradiesgarten vor der Reinoldikirche wird im neuen Gewand auch in diesem Sommer errichtet. Zudem ist Dortmund 2027 Teil der Internationalen Gartenausstellung (IGA). Der Schwerpunktbereich der IGA 2027 liegt zwar auf dem Gelände der Kokerei Hansa in Huckarde, Ziel ist es in 2027 die gesamte Stadt als Gartenstadt zu präsentieren – insbesondere die City. Deshalb werden bis dahin die Grünanlagen in jedem Jahr sukzessive erweitert und gestaltet.

Um den öffentlichen Raum aber wieder mit Leben zu füllen, bedarf es vor allem eines bunten Veranstaltungsprogramms. Nach den coronabedingten Ausfällen findet in diesem Jahr wieder vieles statt. So kommen die Menschen mit unserer Stadt in Berührung, es lassen sich vielfältige Zielgruppen erreichen und begeistern. Davon profitieren wir alle.

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